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Beim diesjährigen Aufenthalt am Rhein konnte ich zwei Veranstaltungen kombinieren und so das Wochenende zur Erholung und für kulinarische Entdeckungen nutzen.
Das Restaurant befindet sich im Kulturbahnhof Rolandseck, auf Hochwasser sicherer Höhe
so dass schon von außen klar ist, welch zauberhaften Blick auf Strom und Siebengebirge es bei Tageslicht gibt. Ich wollte allerdings den Sonn-Abend für einen ausgedehnten Test der Küche nutzen. Zumal im Januar die schöne große Loggia des Kulturbahnhofs natürlich nicht geöffnet ist.
Über das Gebäude selbst könnte seitenlang berichtet werden, hier nur soviel: 1856 auf dem Höhepunkt der Rheinromantik nahe von Rolandsbogen und des rechtsrheinisch aufragenden Drachenfels in (sehr spätem) Spätklassizismus errichtet, ist es heute ein Teil des Arp-Museums des Landes Rheinland-Pfalz. Auch wer mit Dada im Speziellen und abstrakter Kunst im Allgemeinen wenig anfangen kann, sollte einen Besuch schon wegen des beeindruckenden Neubaus in den Felsen über dem Altbau und der teilweise spektakulären Übergänge und Ausblicke wagen.
In dem heute vom Restaurant genutzten zweiten Obergeschoss befanden sich die Warteräume der 1. und der 2. Klasse sowie dazwischen der schon damals für Feierlichkeiten vorgesehene langgezogene Festsaal. Durch die schiere Länge des Mittelteils mit den Fenstern zum Rhein war sofort klar, dass die noch mittags vorgenommene Reservierung überflüssig gewesen war. So konnte ich allerdings schon die eigenwilligen Glaskunstwerke im minimalistischen Treppenhaus ebenso bewundern, wie die beeindruckenden Kronleuchter im Saal und im hinteren Raum, der für Gesellschaften genutzt wird. An der Decke sind teilweise noch die ursprüngliche Fresken auf der ungewöhnlich unverputzten Decke erhalten. Sehr schönes Ambiente, mit etwas Fantasie sieht man sich in die Bälle der Sisi-Zeit zurück versetzt. (Die besten Fotos: http://arpmuseum.org/besuch/erlebnis/gastronomie.html)
Ganz anders dagegen der erste Raum: Bunt und voller Kunst, mal an und auf den Wänden, viele Stile werden zitiert u.a. klassische Moderne, Realismus, Romantik, mal in den Wänden mit bunten Glasfenstern und auch aus den Wänden mit farbigen Lichtkuben unterschiedlicher Größe. Auch die Theke ist offensichtlich ebenso Teil der kreativen Gestaltung, wie die Tische und beleuchteten Sitzbänke. Eine Nachfrage später beim Service klärt auf. Man befindet sich im begehbaren, namensgebenden Kunstwerk "Interieur No. 253" des Berliner Künstlers Anton Henning. Hier tafelt man in, um und von Kunst, das gefällt mir. (Viel Interessantes: http://arpmuseum.org/ausstellungen/dauerausstellungen/in-situ/anton-henning-bistro-interieur-no-253.html)
Den Sanitärbereich habe ich nicht besucht. Die Homepage verspricht auch hier augenzwinkernde Kunst. Im Restaurant alles gepflegt.
Dann mal sehen, was die Künstler in weiß und schwarz so drauf haben.
Der Vollbart des Inhabers und Gastgebers Nic Herbst ist schon mal ein Hingucker. (Beim ersten Link in Foto 1 auf dem roten Teppich und in Foto 5 in der Mitte erkennbar.) Sakko über dem offenen Hemd aus Oxford-Baumwolle, die gekürzte Chino lässt die knalligen Socken sehen, ein eigenes Œuvre d'hip. Und dementsprechend bei der Reservierung noch etwas sophisticated. Am Abend erkannte er aber schnell, worauf es ankam und sorgte dafür, dass seine junge Servicecrew meine Wünsche sehr ordentlich erfüllte. Am Ende des Abends ergab sich noch Gelegenheit für ein interessantes Gespräch. Ein Chef, der seinen Laden im Griff hat, ein Schwätzchen mit den Stammgästen führt, dabei stets die ganz in schwarz gekleidete Mannschaft im Blick, die trotzdem guter Laune zu sein scheint. Sehr angenehm.
Meistenteils wurde ich von einer jüngeren, aber absolut professionell agierenden Bedienung betreut, nichts zu tadeln. Allein, eine Herzlichkeit kommt nicht auf, eher ein etwas angespannter Tonfall. Wie so manches Mal weiß ich nicht, ob Natalja genervt ist oder ob es nur an dem etwas härteren osteuropäischen Akzent liegt.
Trotzdem eine gute Service-Leistung.
Ich erhielt einen guten Tisch im vorderen Teil des Festsaals an der Wand. Der Blick wird durch einige Installationen in mehrfachem Sinne interessant abgelenkt. Eingedeckt waren offensichtlich nur die reservierten Tische. Später stellte sich heraus, dass neben mir zwei Lokalpolitiker nebst Gattinnen Platz nehmen. Politiker, gleich welcher Hierarchiestufe, neigen nicht zu übermäßiger Schweigsamkeit. Man erfuhr einiges über die Charakterschwäche der Konkurrenz, wie der Parteifreunde. Ich hätte gern etwas weiter entfernt gesessen, genügend freie Tische waren ja vorhanden. Zugegeben sei aber, dass der Abstand bei normaler Lautstärke eigentlich ausreichend war. Der Service muss hier sowieso schon erhebliche Laufarbeit verrichten, denn die Küche befindet sich in einem neuen Trakt und ist mit dem Altbau über eine gläserne Brücke verbunden. Auch dort ein Werk von Anton Henning "HaaH", das mit seinen und Hans Arps Initialen spielt.
Das Holzmobiliar steht auf einem schönen Fischgrätparkett. Die Stühle haben leider keinerlei Auflage, auf die Dauer ganz schön hart. Interessant die Tische mit einer großen Einlage aus grünem Leder. Darüber ein weißer Papierläufer mit Hepp Exclusiv Besteck, Wein- und grünem Wasserglas, Stoffserviette, dazu eine einzelne Tulpe und Peugeot-Mühlen. Mal eine Abwechslung die Schwimmkerze im Glas.
Trotz des recht lauten, der hohen Decke geschuldeten Hintergrund-Geräuschpegels war der entspannte Smooth Jazz gut zu vernehmen.
Die Räumlichkeiten versetzten mich in eine festliche Stimmung, so dass eigentlich ein Gläschen Champagner die vorzunehmende Speisenauswahl hätte begleiten müssen. Alternativ war auch für Freunde und Freundinnen der gepflegten Flaschengärung ein Franciacorta Monte Rossa im Angebot, erwartungsgemäß aus dem Hause del Bosco.
Indes: Der Vorabend im Kreise der erweiterten Kollegenschaft war in angenehmster Art, Weise und Gesellschaft aus dem Ruder gelaufen, also wollte ich nichts übertreiben und bat um einen alkoholfreien fruchtbetonten Cocktail. Gelegentlich sollen Vitamine ja nicht das Schlechteste sein. Diese Aufgabe hat der Barkeeper hervorragend gelöst und kredenzte eine Mischung von Mandarine, Orange, Melone und Minze in flüssiger Form. Aufgefüllt mit Soda und auf Eis serviert. Der Clou eine Kugel Mandarinensorbet. Erfrischend, fruchtig und nicht zu süß.
Ein kleines Fläschchen Gerolsteiner leistete dazu mit 3€ einen hübschen Deckungsbeitrag für Herrn Herbst.
Die geöffnet gereichte Karte wich in Nuancen von der Internetversion ab und enthielt zu meinem Erstaunen kein Menü. (Dafür sind jetzt deren drei auf der Homepage zu finden, einschließlich des Januar/Februar-Angebots...). Die Tagesempfehlung hatte ich schon einer handgeschriebenen Tafel im Treppenhaus entnommen und für mich ausgeschlossen. In der Karte bittet man die Gäste zum einen um Verständnis, dass nur EC- oder Maestro-Karten akzeptiert werden; die Marge scheint hier eng zu sein. Zum anderen, dass man nur eine Rechnung pro Tisch erstellen KÖNNE. Die Beherrschung der Grundrechenart Addition nimmt inzwischen in bedenklichem Ausmaße ab.
Das Rennen machten schließlich:
Gratinierte Austern
Hummervelouté mit Fenchelstrudel
Marinierte Räucherforelle
Bäckchen vom Ibericoschwein
Brie de Meaux
Zunächst wurde ein Schälchen schon gewürztes Olivenöl und ein paar an der Service-Insel im Raum frisch aufgeschnittene Scheiben Stangenweißbrot gebracht. Ich grübelte etwas, ob es sich hierbei wohl um die in der Karte mit 3€ vermerkte Leistung handelte, die mir ungefragt gebracht worden war. Oder um eine Karo-einfach-Version für lau. In der Rechnung fand sich die Position immerhin nicht.
Die Küche grüßte dann mit einem dunklen Kalbsbratling unter getrüffeltem Kartoffelschaum, etwas Crunchiges zierte den gar nicht mal kleinen Appetithappen
Kräftig und passend für die Jahreszeit, lediglich ein kleines Stück Sehne störte.
Die folgenden vollfleischigen Austern wurden hübsch in der Schale auf verschiedenen Algen serviert
und waren mit einem leichten Hollandaise-Schaum überzogen und kräftig gratiniert. Ein feiner Gang, bei dem die Zitronennote recht gelungen den jodigen Geschmack der Edelmuschel einband (14€).
Inzwischen wieder hinreichend gefestigt war die Begleitung durch ein Gläschen vom Maison Jean Velut für 10€ ein Muss.
Weiter ging's mit der Hummersuppe
für 11€, die aufgeschäumt am Tisch angegossen wurde und ein gutes Krustentieraroma lieferte. Für meinen Geschmack etwas zu salzig, aber mit einer feinen Anisnote. Sehr gelungen der im Ofen knusprig und dunkelbraun gebackene dünne Strudelteig, der auf den Punkt gegarte Fenchelstreifen enthielt. Sehr stimmig.
Als Fischgang (10€) Räucherforelle
als Mousse und mariniertes Filet, das mit einer recht süßen Apfelcreme, Apfelspalten und Salat von Frisée, Feldsalat und Rucola mit (harten) Croutons angerichtet war. Als Verbinder fand ich das Gewürzbrot schlau, es passte zu den fruchtig-süßen, wie auch zu den rauchigen Fisch-Aromen.
Vor dem Fleischgang erfolgte eine kleine Erfrischung des Gaumens mit einem Apfelsorbet
das mit Prosecco aufgegossen wurde. Das Gefrorene mit kleinen Stückchen Fruchtfleisch wohl von der australischen Omi Schmidt, die Apfelspalten der Deko sicher nicht.
Nämliche Scheiben fanden sich auch zum dritten Mal als Deko (das geht kreativer) bei den Schweinebäckchen
die zart, doch noch nicht zerfallend waren. Als passende Begleiter in der Pfanne glasierte Apfelstückchen, bissfeste Schalotten, die Süße vermissen ließen, weiter eine sahnige Topinamburcreme und eine reduzierte Jus. Frisée sollte vermutlich Frische und Farbe bringen und eine Menge von kleinen Chips den Crunch, ebenfalls von der hellen Knolle. Leider waren sie teilweise etwas weich geworden. Das war alles nicht schlecht. Aber weder für sich, noch als Gesamtheit wirklich begeisternd. Mir war der Teller auch etwas zu voll geknallt. Preislich mit 23€ dagegen fair.
Der Abschluss war nach meinem Geschmack. Statt Dessert ein gutes Stück Brie de Meaux
begleitet von einer hausgemachten Brioche mit Feigenstücken, teils noch knusprig, teils schon in Richtung Zwieback. Geschmacklich aber eine schöne Abwechslung zu den üblichen schweren dunklen Früchtebroten. Auch die rote Zwiebelmarmelade und die karamellisierten Walnüsse waren nicht zu verachten. Mit 8€ eher preiswert.
Als Rausschmeißer zu 6€ dann nur noch einen P.X. von Real Tesoro, der in der Nase sprittig war und am Gaumen zu wenig Frucht hatte, die den Schokoladenton sonst schön ergänzt.
Fazit: Das Ambiente hat mir noch besser gefallen, als die Küche. Diese ist aber durchaus niveauvoll und in Maßen kreativ. Die Produkte überzeugen, das Handwerk ist solide. Gemessen am Anspruch nichts wirklich zum Niederknieen, aber auch überhaupt keine Ausfälle. Insofern absolut zu empfehlen. Ich werde im nächsten Jahr gern wieder einkehren.