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Auf dem Rückweg nach Quedlinburg legten wir nach kurzer Recherche bei TA einen Zwischenstopp in der ca. 3500 Einwohner zählenden Kleinstadt Gernrode ein. Dieser Ortsteil von Quedlinburg liegt am Nordrand des Ostharzes, knapp 6,5 km südlich der Welterbestadt an der Bode.
Die Bückemühle, die als eine von vielen an den Wasserläufen des Vorharzes vorkommenden Schrot- und Mehlmühlen bis 1930 betrieben wurde, ist heute ein reizvoll gelegenes Ausflugslokal mit Teichanlage und ganz viel Historie im Gebälk. Zum Anwesen gehört auch ein hübsch angelegter Garten, in dem antike Geräte aus dem Bereich Landwirtschaft zu bestaunen sind. Auch verfügt das Haus über mehrere Zimmer, Apartments sowie eine Ferienwohnung für Gäste, die übernachten wollen.
Die Bückemühle
Die im Jahre 1700 erbaute Mühle war zu DDR-Zeiten ein HO-Kreisbetrieb. Im November 1997 erwarb Rüdiger Karger zusammen mit seiner Frau Kornelia das historische Kleinod am Fuße des Bückebergs. Der gelernte Instandhaltungsmechaniker, der mit 23 Jahren zum Koch umschulte, bietet mit seinem Mühlenteam eine gutbürgerlich geprägte Küche, die ihr Augenmerk speziell auf die Zubereitung von Fischgerichten legt. So wird beispielsweise der hier angebotene Räucherfisch im eigenen Räucherofen veredelt. Wir waren gespannt, was man uns in diesem rustikalen Grätentempel so auftischen würde.
Grobes Mauerwerk zierte im Parterre den verklinkerten, wuchtig wirkenden Fachwerkbau.
Außenansicht
Durch eine mit nostalgischer Butzenscheibe verglaste, leicht knorrige Holztür ging es ins Innere der ehemaligen Mühle.
Eingang
Wir bewegten uns auf gewollt betagtem, schon recht abgewetztem Dielenboden und dachten zuerst wir wären in einem charmant angegammelten Heimatmuseum gelandet. Ein solch kulissiges Ambiente hätten wir dann doch nicht erwartet.
Innenansicht 1
Niedrige, von groben Holzbalken durchzogene Decken – für großgewachsene Gäste ist der Name der Lokalität tatsächlich Programm – und jede Menge kerniges Holzmobiliar vermittelten neben der etwas zu dick aufgetragenen, allgegenwärtigen Mühlenfolklore dennoch genügend Wohlfühlatmosphäre.
Innenansicht 5
Schade, denn einige wirklich sehenswerte Schmuckstücke, wie beispielsweise der alte Kachelofen, waren von inflationär viel Deko-Plunder umzingelt.
Innenansicht 4
Einrichtungsideen gut und schön, aber den Nachbau eines Mühlrads samt rührseliger Wandbemalung braucht es nun wirklich nicht, um auf die frühere Nutzung des Gebäudes hinzuweisen.
Innenansicht 2
Egal, vielleicht kommen ja viele Gäste genau wegen dieses Folklore-Overkills in die Bückemühle und erfreuen sich an den antiken Fischerei- und Agrardevotionalien, die hier an den Wänden hängen. Wir saßen mittlerweile auf spärlich gepolsterten Holzstühlen und ließen das nicht unbehagliche, aber doch etwas gewöhnungsbedürftige Ambiente auf uns wirken.
Innenansicht 3
Es war noch recht früh am Abend. In einem einsehbaren Nebenraum hatte es sich eine Gesellschaft bei Kaffee und Kuchen bequem gemacht. Die flinken und sehr freundlichen Servicemädels hatten uns da schon mit den Speisenkarten versorgt.
Auch auf der ersten Seite des Karger’schen Köchelkompendiums wurde auf die Historie der Örtlichkeit eingegangen. Die Worte „Liebe“ und „Sorgfalt“ wurden im Zusammenhang mit der frischen Zubereitung der Speisen genannt. Dass so etwas eine gewisse Vorbereitungszeit in Anspruch nimmt, sollte auch dem gutbürgerlichsten Kostgänger klar sein. Aber man kann den Gast ja schon im Vorfeld auf etwas längere Wartezeiten hinweisen. Warum nicht.
Maitre Karger fischt scheinbar gerne im Frischen, denn der Schwerpunkt seines Speisenangebots lag eindeutig auf regionaler Flossenware, die laut Karte aus Harzer Gewässern stammte. Allein sechs verschiedene Forellenvariationen waren gelistet. Aber auch ein paar „Zand-er-scheinungen“ – Zanderfilet au four (mit Würzfleisch und Käse überbacken) – waren darin auszumachen. Für Fischenthusiasten wurde eine Platte für zwei Personen als Spezialität des Hauses angepriesen. Für 52,50 Euro war das ein aus diversen Bratfischvarianten und Beilagen bestehendes Überraschungspaket, das wohl eher für die ganz Hungrigen gedacht war.
Die Fraktion der „Eingefleischten“ musste sich indes mit einer kleineren Auswahl begnügen. Man bewegte sich nämlich fernab von saucengeschwängerten Rind-Kalb-Schmurgeleien und fuhr in karnivorischer Zurückhaltung ein dreigliedriges Schnitzelsystem, das in den Ausstattungen „Au Four“, „Thüringer Art“ und „an Steinpilzrahm“ erhältlich war. Für Veggies hatte man immerhin ein paar Tagliatelle mit Rahmspinat in der Hinterhand. Aber uns war ja sowieso nach Fisch zumute.
Da es besonders nach anstrengenden Wanderungen gerne etwas deftiger zugehen darf, fiel uns die Entscheidung nicht allzu schwer. Vorneweg teilten wir uns eine Portion Würzfleisch (6,80 Euro), um dann aus dem Fischangebot das Forellenfilet an Senfsoße mit gebutterten Möhrchen und hausgemachtem Kartoffelpüree (18,90 Euro) sowie das Rotbarschfilet „Holzfäller Art“ (17,50 Euro) von der Wochenkarte zu ordern. Eine Flasche Mineralwasser für recht sportliche 5,50 Euro und eine Himbeerbrause vom Fass (0,4l für 3,80 Euro) komplettierten unseren Bestellvorgang.
Das Würzfleisch wurde ohne Blätterteigpastete in einem kleinen Schälchen serviert. Ein Schnitz Zitrone im Presswerkzeug, etwas Toastbrot und ein Fläschchen Worcestersauce (Lea & Perrins) gabs als Beigaben gratis dazu.
Würzfleisch mit Extras
Eine nette Geste, denn „sauer“ macht ja bekanntlich „lustsch“. Wäre jedoch aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig gewesen.
Das mit Käse überbackene und mit einem famos abgeschmeckten Champignon-Rahmsößchen verfeinerte Jungschwein-Ragout konnte man guten Gewissens als herzhaftes Bekenntnis zur hausmannsköstlichen Landhausküche betrachten.
Würzfleisch ganz nah
Es hat mir hier sogar noch besser gemundet, als ein paar Tage zuvor im Gasthaus Forelle. Ein wirklich feiner Einstieg, der dem ersten Hunger deftig die Stirn bot. So konnte es weitergehen.
Und es ging auch so weiter, denn unsere beiden recht üppig beladenen Fischteller kamen wie gerufen. Mein Rotbarschwagnis, das den Holzfäller in mir zu sättigen vermochte, kam ganz undogmatisch in ansprechender Panade und einer fast schon verwegen wirkenden Champignon-Zwiebel-Sauce daher.
Rotbarsch für den Holzfäller vom Selketal
Aber Schmorzwiebeln gehören nun mal zur Waldarbeitergarnitur. Das war keine Überraschung. Die zweite Tellerhälfte wurde von einem stattlichen Hügel Kartoffelpüree eingenommen. Für den gemeinen Flachland-Weseraner wäre das schon ein schwer zu bezwingender Kalorien-3000er gewesen (Mount „KaPü“, 3149 Kalorien über dem Saucenspiegel).
Mount „KaPü“, knapp 3149 Kalorien über dem Saucenspiegel
Aber wer ist schon immer um leichtfüßige Sättigung bemüht. Manchmal braucht es diese herzerwärmenden Deftspeisen, die ohne viel Tralala auskommen und nach ehrlichem Küchenhandwerk schmecken. So auch die Senfsauce, die man großzügig über die beiden der Bratpfanne enthobenen Forellenfilets meiner Gattin gegossen hatte.
Forelle satt...
Sie war begeistert. Und zwar sowohl vom saftig gebratenen Teichgezücht, dem herzhaften, mit ordentlich Senfkörnern ausgestatteten Beiguss, als auch vom generös gebutterten Püree.
Dass sie danach noch einen Schierker Feuerstein (2,60 Euro) zur Prä-Verdauung hinterherschickte, war nicht nur ihrem opulenten Fischmahl geschuldet. Für sie gehört dieser vor über 100 Jahren vom Apotheker Willy Drube kreierte Kräuterlikör einfach zum Harz wie die Gelbschmiere an den Roller.
Nach einem kleinen Plausch über einen Harzer Brotaufstrich namens „Pottsuse“ – einer aus Schweinefleisch, Schmalz und Gewürzen hergestellten „Zonen-Rillettes“, die man in der Bückemühle selbst herstellt – verließen wir die historische Schänke. Sollten wir mal wieder in der Nähe sein, hier würden wir sofort wieder einkehren. Und dann natürlich auch den legendären „Müller-Schluck“, einen regionalen Kräuterlikör aus Bad Lauterberg, genießen.