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Selten ist es mir so wie dort ergangen. Trotz größtem Hunger hatte ich von vornherein nicht einmal den „Hauch einer Chance“ – um in der Fußballsprache zu bleiben – auf Komplettverzehr meines durchmesserstarken, tomatisierten Hefeerzeugnisses aus dem gemauerten Holzofen. Aber immer schön der Reihe nach…
Wir hatten uns nach einem anstrengenden Klettertag im Gimmeldinger Steinbruch nicht für „Madrid“ (=Tapasladen in der Hintergasse), sondern für „Mailand“ entschieden. Der Ableger der Landauer Pizzeria Milano (stadteinwärts direkt nach der Queichheimer Brücke) serviert seit gut 15 Jahren seine überdimensionierten Rundbackwaren italienischer Provenienz in der Neustadter Talstraße, die sich als B39 durch die Stadt schlängelt und sie in Richtung Lambrecht (Pfälzerwald) wieder verlässt.
Hätte ich mir doch nur vorab die Webseite vom Milano angeschaut. Schon beim Schriftzug wäre mir die Verbindung zu dem einmal und nie wieder besuchten Landauer Ristorante aufgefallen. Denn auch damals, als mich einmal der nächtliche Hunger zu später Stunde in die Italo-Bude geführt hatte, war ich alles andere als begeistert von der viel zu großen, nicht besonders appetitlich belegten Pizza, deren Boden leider sämtliche Knusprigkeit vermissen ließ.
Nun gut, mit drei Kletterfreunden im Gepäck und einer mächtigen Portion Kohldampf versuchte ich in der Nähe des Lokals einen Parkplatz zu bekommen. Auf die Idee kamen anscheinend schon andere vor mir, was in der kleinen Sackgasse, in der sich das Milano befindet, nicht zum Erfolg führte. Ein paar Meter weiter befand sich jedoch ein großer Lidl-Parkplatz, auf dem ich das Gefährt abstellen konnte.
Es erwartete uns ein etwas in die Jahre gekommener Gastraum, der seine besten Zeiten schon ein paar Tage hinter sich zu haben schien. In der großräumigen Abfütterungshalle war schätzungsweise ein Viertel der Plätze belegt. Wir setzten uns gleich an den ersten Tisch zu unserer Linken – den Thekenbereich und den Pizzaofen in unmittelbarer Sichtweite.
Das abgewetzte Fischgrätparkett, die rustikalen Holzbalken an der Decke sowie die mit Weinbaumotiven verzierten Fensterscheiben gemahnten an alte Zeiten, in denen hier noch die Winzergenossenschaft das kulinarische Sagen hatte. Das war schon eine Weile her. Zwischenzeitlich tobten sich in den Räumlichkeiten mehrere Chinesen gastronomisch aus. Bis dann vor rund 15 Jahren ein Pizza-Clan aus Südosteuropa sein Landauer Imperium um eine Neustadter Filiale erweiterte. Die zunehmende „Albanisierung“ italienischer Gastbetriebe greift auch in der Pfalz immer mehr um sich.
Mehr an Information war unserem Wirt dann doch nicht zu entlocken. Wahrscheinlich kommen nicht jeden Tag Gäste vorbei, die sich nach der Nutzungshistorie des Gebäudes erkundigen. So oder so schien ihn mein ständiges Nachhaken eher zu nerven, als ihn in eine echte Konversation zu verstricken. Ein nicht komplett unsympathischer Gastrokauz, aber einer mit etwas zu kumpelhaftem Auftreten, das bei seinen Stammgästen wahrscheinlich besser ankommt als bei uns Neuankömmlingen.
Manche halten diesen Zwang, immer alles mit einem flotten Spruch – ob passend oder nicht sei mal dahingestellt – zu kommentieren, fälschlicherweise für südländischen Charme. Vieles, was der gute Patron an jenem Abend so von sich gab, war überflüssig. Und erst recht nicht lustig. So richtig gastfreundlich erschien uns das nicht. Am besten nicht weiter auffallen und den Teller leer essen - war unsere Devise. Selbst die leicht provokative Idee, eine Pizza Prosciutto ohne Schinken zu bestellen, wurde schnell wieder verworfen.
Etwas angenehmer als der Humor unserer Bedienung fielen dagegen die Getränkepreise aus. Der halbe Liter Radler – gut, er war mit „Bier“ der Marke Moninger gemischt – belief sich auf 2,90 Euro. Das gleiche Geld legte man übrigens auch für ein kleines Export-Bier auf den Tisch. Mein Viertel Lambrusco wurde für gängige 3,50 Euro aus der Flasche gelassen, während die Flasche Mineralwasser mit 4,50 Euro (für 0,7l) zu Buche schlug. Für eine große Cola (0,4l) berechnete man 2,80 Euro. Für Neustadt-City sind das sicherlich noch akzeptable Preise, die hier abgerufen werden.
Nun blätterten wir uns durch das umfangreiche Pizza- und Pastafibel, die ganz „oldschool“ aus einer eingehefteten Sammlung bedruckter DIN-A4-Blätter, die schmucklos funktional in Klarsichthüllen steckten, bestand. Gleich beim Teigfladensortiment wurde ich stutzig. Handelte es sich bei den Angaben zum Durchmesser der drei Auslieferungsgrößen: klein – mittel – groß etwa um einen Druckfehler? 35 (klein), 37 (mittel) und 40 (groß) Zentimeter standen als Vergleichsmaße über den gestaffelten Preisangaben. Zwischen klein und groß lagen maximal zwei Euro Preisdifferenz.
Wir nahmen uns die Zeit für einen kleinen Exkurs in Sachen Pizzaflächenberechnung. 40 cm Durchmesser, ergab selbst bei nicht ganz gelungener Kreisform einen Radius von 20 cm. Diesen quadriert und mit der Kreiszahl Pi (ca. 3,14) multipliziert, ergab eine stattliche Fläche von über 1200 cm² Pizzalandschaft, die im größten Falle auf den Aspiranten wartete.
All diese Rechenexempel nutzten nichts, da wir noch gar nicht bestellt hatten. Trotz weitgehend leerem Lokal ließ sich unsere Bedienung Zeit. Da wurde zuerst entspannt abkassiert. Dann mit der gleichen Gelassenheit der Nebentisch abgeräumt. Sollten sich die vier ausgehungerten Kletterer an Tisch 1 doch erst einmal an der folierten Speisekarte sattsehen.
Sein Ignorieren hatte anscheinend Methode. Unsere Gier nach Nahrung ließ die Durchmesserangaben auf der Karte subjektiv schrumpfen. Die Folge: eine mittlere Margherita (7 Euro), eine mittlere Salami (7,50 Euro) und eine große Capricciosa (9 Euro) wurden von meinen drei Kletterkollegen geordert. Ich bestellte sogar noch eine Tortellini-Brühe („Tortellini in Brodo“ für 4,50 Euro) zu meiner mittleren Pizza Pescatore (8,50 Euro) dazu. Keine Ahnung warum. Mir war einfach danach.
Beim Erstbesuch gleich eine Meeresfrüchte-Pizza zu bestellen setzt schon ein gewisses Vertrauen voraus. Oder hatte ich hier etwa Mut mit Leichtsinn verwechselt? Nun, der mit reichlich gestocktem Eigelb und drei Tortellini servierten Brühe hatte Mama Maggi geschmacklich auf die Sprünge geholfen. Die sehr heiße und leider auch recht salzige Suppe erzeugte ein leichtes MNG-Bitzeln auf der Zunge. Geschmacklich überzeugte sie nicht. Da riss es auch die gefüllte Pasta-Einlage nicht raus.
Kurze Zeit später wurden die gewaltigen Rundlinge geliefert. Spätestens jetzt bereute ich die Bestellung meiner Vorspeisensuppe zutiefst. Schon der Anblick der mit Thunfisch (banale Dosenware), Krabben und Muscheln (geschmacksneutrale Glas-, Eimer- oder TK-Ware) belegten Pescatore ließ meinen Hunger schwinden. Etwas unappetitlich empfand ich die Tatsache, dass sie weit über den Tellerrand hinausragte und sich deshalb auf einer Seite bis zur Tischdecke hinab bog. Wenn man schon so exorbitant große Teigscheiben aus dem Ofen zieht, könnte man sie ja wenigstens auf die passenden Teller legen.
Der Rand zu dick, der Teig viel zu zäh, die Meeresfrüchte fad bzw. trocken und die Tomatensauce der Billigdose entronnen. So könnte man die kulinarischen Attribute meiner italoiden Rundbackware kurz auf den Punkt bringen. Was an Masse vorhanden war, fehlte leider dem Belag an Klasse. Einziger Pluspunkt dieses ganz auf Sättigung abzielenden Volksgerichts war die wohldosierte Menge an Käse, mit dem man es nicht auch noch übertrieben hatte. Geschmacksblinde mit enormem Spachteldrang würden wohl unverständlich mit den Schultern zucken, da sie sich überglücklich das nicht Geschaffte einpacken lassen, um sich daran noch am nächsten Tag zu laben.
Auch ein Blick in die Runde verriet: mit Genuss hatte das alles wenig zu tun. Eher mit schweißtreibender Arbeit. Die dafür nicht besonders geeigneten Messer taten bei zunehmender Pizzastarre (durch Erkalten) ihr Übriges. Wie schrieb der geschätzte Kollege Vully letztens so treffend: „Gut zubereitete Pizza darf keine Arthrose im Zeigefinger durch Messerdruck verursachen…“. Genau so isses!
Nur fürs Protokoll: einer am Tisch schaffte doch tatsächlich sein Teig gewordenes Wagenrad. Ich war es nicht. Ich ließ auch nichts einpacken. Ich „hatte fertig“ (Trap).
Selten habe ich in den letzten Jahren am eigenen Hefefladen eine solch ernüchternde Erfahrung machen müssen. Was denken sich diese kleinstirnigen Küchenhasardeure eigentlich, wenn sie sich am kulinarischen Erbe Italiens vergehen? Eigentlich hätten sie verkochte Nudeln mit Ketchup verdient. Aber lebenslänglich!
Dass es ein paar Wochen später ausgerechnet in Landau um einiges schlimmer kommen sollte, ahnte da noch niemand. Ihr dürft euch also schon auf den zweiten Teil der Reihe „Pizza brutale – ein Traditionsgericht, das seinen Namen nicht verdient!“ freuen…