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Während die ehemalige Fabrikantenvilla die Architektur-Interessierten speziell Fans von Henry van der Velde anlockt, werden in der im Garten gelegenen, mustergültig renovierten ehemaligen Remise eher die Anhänger einer stimmig modernisierten Gourmetküche auf klassischer Grundlage glücklich. Und wenn die Begeisterung des Chefs für weiße Burgunder sogar noch die des Gastes übertrifft, darf man wohl von einem „Match made in Borgfeld“ sprechen.
Brot und aufgeschlagene Butter nahm ich in Erinnerung an die erste Sause nur in homöopathischen Dosen zu mir, um die angekündigten 10 Teller auch alle genießen zu können (Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt…)
Etwas ungewöhnlich starte das Menü warm mit dem ersten von zwei Geflügel-Gängen. Die fast durchgebratene Tranche vom Huhn (Bresse-Ware über Rungis Express) war sehr saftig und von vollmundigem Geschmack. Die Kombi Geflügel mit Frucht führte in der gutbürgerlichen Küche meiner Jugend geradewegs in die Libbys-Fruchtcocktail-Hölle (Wer bekommt die Kirsche?). Die Erinnerung könnte nicht weiter entfernt sein von Falk Heinrichs mutiger Interpretation mit eingekochter Kumquat und Thymian. Nur, dass die vorzüglich gebräunte Haut durch das Napieren viel von ihrer Knusprigkeit eingebüßt hatte, betrübte mich ebenso wie den Chef; das war so nicht gewollt.
Beim zweiten Streich badete ein auf der Haut vorsichtig gebratener, schneeweißer, natürlich saftiger Seeteufel in einer samtigen Safransauce, die durch Ingwer und Chili eine wahrnehmbare, aber nicht anstrengende Schärfe erhalten hatte. Eine echte Entdeckung für mich. Ein kleiner Salat von Erbsenschoten war für den Knack zuständig; ein grobes Püree für etwas Süße. Exzellente Produktküche!
Genauso begeistert waren die drei Carnivoren am Tisch über die Schweinerippchen auf fermentierten Spitzkohl in Gang 3. Das über Stunden im Smoker butterzart gewordene Fleisch hatte an kleinen Spießen noch einmal kurz Grillhitze bekommen, was ihr eine Knusper-Haut bescherte, die auch die unverschämt süffige Sauce nicht erweichen konnte. Entdeckung des Abends war der Voatsiperifery Bourbon-Pfeffer aus Madagaskar, mit dem eine unglaublich interessante zitrusfruchtige(!) Schärfe ins Gericht kam. Vom prickelnden Effekt entfernt dem Szechuan-„Pfeffer“ ähnlich. Diese gar nicht mal so kleinen Soulfood-Happen haben wir andächtig schmatzend weggelutscht.
Bourbonen-Pfeffer aus Madagaskar
Knusper? Hat da jemand Knusper gesagt? Was das angeht, sagt ein Bild mehr als 1000 Worte:
Der zweite Teil des Bresse-Huhns konkurrierte mit einer bewusst nur leicht abgezogenen Morchel-Zwiebelsauce um unsere Aufmerksamkeit. Wir lobten beides sehr. Dass in der Villa nur sehr gute Qualität und ausgezeichnetes Handwerk die Teller schmückt, bedarf an dieser Stelle keiner besonderen Betonung mehr.
Eher, dass der Reigen der Gaumengenüsse immer wieder von angeregten Gesprächen über Weine, Gerichte und die Gastronomie allgemein unterbrochen wurden, untereinander und immer wieder mit unserem Gastgeber. Die eigene Menü-Geschwindigkeit mit diesem ebenso engagierten wie fachkundigen Koch abstimmen zu dürfen, war ein großes, zusätzliches Geschenk!
In der Mitte des Menüs kehrten wir noch einmal kurz ans Meer zurück: Unser Gastgeber kombinierte untadeligen Kaisergranat mutig mit Ananas und selbst eingelegtem Kimchi, der zurückhaltend genug geschärft war, um auch dem edlen Krustentier Raum zu lassen. Frisch und knackig und im Reigen der Winteraromen eine willkommene Erfrischung.
Aber natürlich wurde es dann auch wieder jahreszeitlich passend. Die Portwein-Trüffelsauce zum Hinknien umschmeichelte eine halbe gebackene Taube, die mit ihrer wunderbaren Leber kredenzt wurde. Zum Aufnehmen auch des letzten Tröpfchens diente ein perfekt lockerer Semmelknödel.
Man beachte bitte die Portionsgröße an dieser Stelle.
Und kann sich vielleicht mein „Entsetzen“ vorstellen, als die beiden Küchen-Musketiere den folgenden Teller brachten:
„Ganz ohne Beilagen!“, wie Falk Heinrich betonte, kam als (zugegeben) dünn geschnittenes Minuten-Steak ein medium gebratenes Entrecôte an den Tisch. Abgezogen mit einer Emulsion von Rinderfett mit Bergamotte und Granatapfel hatte das perfekte Fleisch beides: Süffigkeit und Frische! Extrem aromatisches Fleisch, wie meist viel besser als Filet.
Aber trotzdem: Gnade! Nach 7/8 machte mein Magen buchstäblich zu und ich hätte „ums Verre…“ keinen weiteren Bissen geschafft.
So musste ich - auch fotografisch - beim folgenden Rehrücken mit Schwarzwurzel und Wildpreiselbeeren passen. Zumal auch hier eine zwei Finger dicke Tranche mit kräftig gebräuntem Äußeren und zartrosa inneren Werten lockte. Interessanterweise gingen bei den beiden verbliebenen Essern die Meinung über die geschmackliche Intensität auseinander. Ich war derweil damit beschäftigt nicht zu platzen.
Als Pre-Dessert schickte der gebürtige Chemnitzer Heinrich ein Kürbis-Sorbet mit Aprikosenessig, dessen prononcierte Säure ich mir vor dem Steak gewünscht hätte.
Trotzdem nahm ich vom Dessert, einem Kaffee-Tiramisu, der Höflichkeit wegen und aus Neugier zwei Löffel. Denn Falk Heinrich hatte schon eingangs des Abends berichtet, dass eine eigene Kraft für die Patisserie sich nicht trage und Desserts seine Sache nicht seien. Jedenfalls nicht auf dem Niveau der sonstigen Küche. Deshalb habe er sich entschieden, auf Klassiker zu setzen. Die aber in sehr guter Produktqualität. Genauso war es. Ein Tiramisu mit klarer Kaffeenote und ohne Schnickschnack. Aber halt ausgewogener, frischer und fluffiger als bei 90% der hiesigen Italo-Restaurants.
Während draußen völlig unerwarteter Schneefall den Garten malerisch verzauberte
klang drinnen der Abend aus; wir sinnierten noch etwas über die Weine, die dieses Mal allesamt auf Empfehlung des überaus zugewandten Chemnitzer Küchenkünstlers geöffnet wurden.
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Natürlich ist mir bewusst, dass ein solches private-dining nicht mit dem üblichen Restaurant-Besuch zu vergleichen ist. Aber die Philosophie einer produktorientierten Küche mit zumeist drei Komponenten auf französischer Grundlage wurde hoffentlich erkennbar; meine Begeisterung darüber sicherlich!
Wanderer, kommst du nach Chemnitz, gräme dich nicht: Ein Kleinod wartet auf dich!
Interner Menüplan aus der Küche (geleakt)