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Vom Hotel mit einem unerwarteten Upgrade in eines der Zimmer im Schloss bedacht, sparen wir uns den Weg vom Stammhaus über den Parkplatz vorbei an der bunt blinkenden Spielbankbeleuchtung und müssen nur die altehrwürdige Treppe hinunter ins kulinarische Himmelreich schreiten, wo wir gewohnt liebenswürdig begrüßt werden und es sich auch Christian Bau nicht nehmen lässt, für einen ersten Plausch aus der Küche zu kommen.
Alles weitere folgt mittlerweile fast schon einem Ritual. Zum Aperitif folgt die erste Batterie der Amuses Bouches, darunter Klassiker wie der Macaron mit Gänseleber, Aal und Apfel oder das exzellent abgeschmeckte Tatar mit Räucherfischcreme und Kaviar. Bei letzterem kann man im übrigen beobachten, wie auch langjährige Standards hier in Nuancen noch verbessert werden. Kam das Tatar bisher in einem Cone, wird es jetzt in einem Tartelette serviert, das von den Proportionen meines Erachtens besser funktioniert.
Entenleber, Räucheraal, Apfel
Bio-Ox mit Räucherfischcrème & Kaviar
Fein auch das Tartelette aus Norialge mit Würfeln vom Thunfischbauch und Kimizu, einer Art japanischer Mayonnaise auf Basis von Eigelb und Reisessig.
Nori-Tartelette mit Torro & Kimizu
Besonders freue ich mich aber auf die japanische Waffel, die ich bisher nur von Berichten und Fotos kenne und die auch optisch bereits der absolute Hingucker ist. Das ist allerdings nichts gegen das, wie sich die Waffel letztlich im Mund präsentiert. So fragil sie wirkt, so stabil bleibt sie beim Biss. Super frische Sardine und eine Creme von Meereskräutern geben zusammen mit den ganz feinen jodigen Noten des Kaviars einen Geschmacksakkord, der einen für einen flüchtigen Moment ans Meer beamt.
Japanische Waffel mit Sardine & Meereskräutercrème
Nach dieser ersten Runde formidabler Grüße wird zwar die Speisekarte gebracht, aber zu sehen bekommen wir sie – wie immer – doch nicht. Christian Bau würde gerne etwas für uns kochen. Ob wir etwas dagegen hätten? Was für eine Frage! Nicht ohne Grund habe ich vor längerer Zeit bereits gesagt, dass er der einzige Koch ist, dem ich bedenkenlos Carte Blanche gebe. Und so freuen wir uns erneut darauf, was die Küche diesmal für uns vorgesehen hat.
Aber bevor es mit dem eigentlichen Menü losgeht, folgen erst noch die weiteren Grüße, die auf Schloss Berg ob ihrer Anzahl und handwerklichen Perfektion bereits Legendenstatus genießen.
Auch die Ceviche von portugiesischen Shrimps macht da keine Ausnahme. Das ausgewogene Spiel aus markantem Garnelengeschmack, gepaart mit Crunch von Erdnüssen, Säure und der exotischen Frische des Shiso ist so fein austariert, dass dies genauso gut ein Siegerlöffel bei „The Taste“ sein könnte.
Ceviche von portugiesischen Shrimps mit Erdnuss & rotem Shiso
Ein weiterer Signature Dish, der in normaler Portionsgröße auch optional zum Menü bestellt werden kann, folgt als Amuse Bouche Portion. Die Gänseleber mit Piemontaiser Haselnuss, Kaffee und Kirsche als Eis und als Praline gehört zu unverzichtbaren Klassikern, die auch heute nicht enttäuschen.
Gänseleber mit Café & Haselnuss
Den Reigen der Grüße beschließt ein ganz traditionelles Gericht, das im Rahmen des „Paris-Tokio“-Menüs eindeutig der europäischen Seite zuzuordnen ist. Der Jahreszeit angepasst folgt eine Velouté von Maronen. Spricht die Karte später in eklatanter Untertreibung von weißem Trüffelparfüm ist das, was wir in der Schale haben, mehr als nur Parfüm. Weißer Alba-Trüffel, der Feinste und Intensivste von allen, wird von Christian Bau auf die einzig sinnvolle Weise eingesetzt: nämlich großzügig. Ein paar sparsam gehobelte Späne bringen in der Regel nichts, aber so wie hier bemessen, können sich Duft und Geschmack in einzigartiger Weise entfalten. Die Velouté dazu passt perfekt, der Spinatravioli im Inneren rundet das cremige Vergnügen ab. Generös und einfach wunderbar.
Maronenvelouté mit weißem Trüffelparfüm
Brot, Butter und Olivenöl sind wie gewohnt von hervorragender Qualität, aber angesichts des mutmaßlich noch vor uns liegenden Programms, ist hier Enthaltsamkeit das Gebot der Stunde.
Brot, Butter, Olivenöl
Unser Menü startet mit der „Japanese Raw Bar“, die optional anstelle oder zusätzlich zur regulären Vorspeise geordert werden kann. Sie besteht aus drei kalten Zubereitungen, die Christian Baus extrem Fisch- und Meeresfrüchte betonte Küche vielleicht am exemplarischsten präsentiert. Als ausgewiesener Qualitätsfanatiker ist es gerade hier unerlässlich, die Produkte in ihrer bestmöglichen Form zu präsentieren. Und an diese zu kommen, dafür scheut Bau weder Aufwand noch Kosten.
Die fleischigen Gamberoni für den ersten Teller stammen aus Portugal, sind von leicht geräucherter Mandel, Shishitopepper und Granny Smith eingefasst. Über allem liegt eine extrem frische Note, fast schon etwas Ätherisches, schöne Säure und eine ganz dezente Schärfe.
Roter Gamberoni | Japanischer Shishitopepper | Räuchermandel | Zitrus
Wie viel Detailarbeit sich in Baus Gerichten verbirgt, lässt sich vielleicht am besten am zweiten Gang der „Japanese Raw Bar“ erkennen. Ein Stück Kampachi, aus der Familie der Bernsteinmakrelen, ist umgeben von einem Ring aus diversen Kräutern, Algen, Cremes, Seeigeleis, Perlen, Erde. Das ist aufwändig, penibel angerichtet und einfach wunderschön. Der erneut großzügig portionierte Kaviar vom Premium-Hersteller N25 vervollkommnet diesen kulinarischen Strandspaziergang.
Kampachi | Strandkräuter | Jodige Aromen | Caviar
Mit einer kalt-warmen Komposition endet die „Japanese Raw Bar“ und bildet damit auch einen flüssigen Übergang zu den folgenden Gerichten. Würfel vom Thunfisch-Bauch und Wachtelrührei gehen mit einer weiteren üppigen Menge Alba-Trüffel eine harmonische Allianz ein.
Blue Fin Tuna | Yuzu | Sesam | Wachteleigelb | Weisser Trüffel
Und als hätte jemand gerufen: „Es ist noch Trüffel da“ findet sich der auch auf dem folgenden Gang, der uns nach Paris führt. Agnolotti sind innen mit geschmolzenem Käse gefüllt. Kalb, Spinat und auch die zarten Froschschenkel schmiegen sich harmonisch an. Das ist cremig, üppig und köstlich. Dass Froschschenkel zu den wenigen Zutaten gehören, die ich zwar mag, aber aus prinzipiellen Gründen eigentlich nicht esse, kann Christian Bau nicht wissen. Ich habe es vorab nicht gesagt und nicht gewusst, dass er diesen optionalen Gang auch in unser Menü einbaut.
Agnolotti vom Kalb & Frosch | Confierte Zwiebeln | Trüffel aus Alba
Mit einer Jakobsmuschel von sensationeller Qualität und Konsistenz, wie ich sie in der Form vermutlich noch nie gegessen habe, und Kutteln davon geht es zu einem absoluten Wohlfühlgericht. Lauch in Texturen, Spinat und Brunnenkresse und eine Sauce von fermentiertem Reis ergeben mit Kaviar eine höchst harmonische Allianz.
Coquille Saint Jacques | Grüne Kräuter & Gemüse | Fischeier | Koji
Von nicht weniger herausragender Qualität auch die Langoustine in weißer Miso mit Strukturen von Karotten und einem mit Langoustinen-Tatar gefüllten Spitzkohl-Sushi. Schön macht sich hier auch der Crunch mit Nüssen. Aber die Hauptrolle spielt hier eindeutig der Kaisergranat.
Langoustine | Karotte | Maracuja | Bonitoessig
Optisch prachtvoll präsentiert sich die Rotbarbe, deren Schuppen sich durch Übergießen mit Palmöl aufstellen und mitgegessen werden können. Die Artischocke in Texturen macht klar, dass wir mit diesem Gang wieder in Richtung Frankreich gehen. Ans Mittelmeer, um genau zu sein. Die Sauce Bourride, die klassischerweise ähnlich einer Bouillabaisse ist, bindet Christian Bau jedoch mit Rotbarben- und Abaloneleber ab, was ihr eine sehr nussige Note und große Tiefe gibt. Sie ist der heimliche Star auf diesem Teller.
Rouget Barbet | Artischocke | Meereskopfsalat | Sauce Bourride
Auch beim Fleischgang ist Christian Bau das Beste gerade gut genug. Er war einer der Ersten, der überhaupt japanisches Rindfleisch nach Deutschland brachte, das lange gar nicht für den Export freigegeben war. Heute dürfen wir Tajima Wagyu genießen, das über eine einzigartige Marmorierung verfügt und zum Teuersten gehören dürfte, was Karnivoren glücklich macht. Das Fleisch ist fest mit schöner Kruste, schmilzt aber gleichzeitig durch den hohen Grad an Fetteinlagerungen förmlich im Mund. Bei einem solchen Stück gebietet es sich, dass sich die Mitspieler nicht in den Vordergrund drängen und so ist die Bau’sche Variante eines Ratatouille auch eher dezent, aber höchst akkurat gearbeitet. Karamellisierte Zwiebeln, Spitzpaprika, Zucchini und Aubergine schmiegen sich harmonisch an, ebenso wie der Anchovischaum mit schwarzem Knoblauch. Auch die Sauce ist in diesem Fall zwar gut konzentriert, aber nicht zu dominant und eher auf der eleganten Seite. Ein ausgezeichneter Gang mit erneut einem fantastischen Produkt.
Tajima Wagyu | Ratatouille | Black Garlic | Tsuyu-Soy
Als Pré-Dessert variiert Christian Bau gerne Cocktails wie in diesem Fall einen Mojito. Das Minzsorbet sowie Jelly von weißem Rum und Schaum von Zucker vermitteln die typische Aromatik und bieten einen erfrischenden Übergang zu den weiteren Desserts.
"Mojito" als Mouthcleaner
Deutlich reichhaltiger wird es mit der 2019 Version des „Banana Split“. Nun bin ich nicht der allergrößte Bananen-Fan und daher dankbar, dass die Frucht hier eher zurückhaltend eingesetzt ist als karamellisierte Kugeln und geeiste Perlen. Das Vanilleeis ist hervorragend und auch die halbflüssige Schokoladenganache ist lecker, aber für mein Empfinden deutlich zu groß portioniert. Nach all den vorherigen Gängen erschlägt mich so viel Schokolade schier. Aber das ist auch schon das Einzige, das ich an diesem Dessert zu beklagen habe. Jammern auf höchstem Niveau halt.
"Banana Split" | Tahiti-Vanille | Schoko | Sahne
Ein Reigen exotischer Früchte, Sorbet und eine Chai Latte-Creme im Knuspermantel, deren Gewürzaromatik fast schon weihnachtliche Gefühle aufkommen lassen, bilden den leichteren und sehr guten Abschluss eines großartigen Menüs.
"Chai Latte" | Gewürze | Tee | Exotische Früchte
Da es zu diesem Zeitpunkt bereits Mitternacht ist, müssen wir den eigentlich vorgesehenen Dessertwein gegen Champagner tauschen, denn damit stoßen wir für gewöhnlich zum Geburtstag an. Feierten wir im letzten Jahr noch meinen Geburtstag hier, ist es diesmal meinem Mann vergönnt. Wir hatten das nicht angekündigt, weil wir nicht unbedingt damit gerechnet hatten, so lange zu bleiben. Aber Christian Bau meinte es erneut ausgesprochen gut mit uns und hat uns auch kapazitätsmäßig an die Grenzen geführt.
Das ändert aber nichts daran, dass trotzdem noch eine Geburtstagstorte herbei gezaubert wird, ebenso wie die obligate Tischdeko für den festlichen Anlass. Yildiz Bau und Nina Mann gestalten diesen spontanen Moment ausgesprochen herzlich, wie sie auch den gesamten Abend über für eine liebenswürdige Betreuung gesorgt haben und immer auch Zeit für den ein oder anderen Smalltalk hatten.
Auch der übrige, vor allem männliche Service versieht seine Aufgabe tadellos und aufmerksam, sollte aber ein wenig darauf achten, dem Gast nicht das Gefühl zu vermitteln, ständig unter Beobachtung zu sein. Wir können damit gut umgehen, aber für Gäste, die nicht zu häufig in solchen Restaurants verkehren, könnte das leicht als zu steif und formell empfunden werden.
Wir waren im Übrigen noch nicht fertig mit dem Essen. Denn auch die Parade an Petits Fours, hier Sweet Bento Box benannt, ist bei Christian Bau üppig. Alleine die Neuinterpretation der Schwarzwälder Kirschtorte im Glas ist zwar köstlich, aber auch sehr reichhaltig. So leid es uns tut, aber dieses Mal kapitulieren wir angesichts des Sättigungsgrades.
Sweet Bento Box
Was gibt es über Christian Baus Kochkunst noch zu sagen, was andere nicht schon in höchsten Tönen gelobt haben oder ich in meinen früheren Berichten geschrieben habe?
Eigentlich gibt es dem nichts hinzuzufügen. Ein Essen auf Schloss Berg gehört zum Besten, das man derzeit bekommen kann. Nicht nur in Deutschland oder Europa, vermutlich weltweit. Christian Bau hat einen Stil entwickelt, der eine so einzigartige Handschrift besitzt, dass man ein Gericht sofort als Bau-Teller identifizieren kann. Minimalismus ist seine Sache nicht. Jedes Gericht ist aufwändig konzipiert und besteht häufig aus zahllosen Komponenten, von denen aber nie eine überflüssig erscheint. In seinem letzten Kochbuch, das uns mal für den ambitionierten Hobbykoch angepriesen wurde, gibt es kaum ein Gericht, das weniger als acht Einzelzubereitungen enthält. Von der Anzahl der Zutaten mag ich da noch nicht mal reden. Das Buch ist wunderschön und ich bin froh, es zu besitzen, aber – pardon – für Normalsterbliche nicht nachkochbar. Also am besten gleich direkt dahin fahren, wo man all das in real erleben kann.
Und wo sonst kommt man in den Genuss derartiger Produktqualitäten? In seiner Kompromisslosigkeit, was allerbeste Zutaten angeht, könnte Bau problemlos als Japaner durchgehen. In jedem Fall schafft er Gästen ein Schlaraffenland, wie es nur wenige geben dürfte. Ich jedenfalls bin glücklich, dass ich es in wenigen Stunden erreichen kann. Wenigstens und mindestens einmal pro Jahr.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/victors-fine-dining-by-christian-bau-perl-nennig-4/