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Eine Rundtour bei Dauerregen, der uns auf den letzten Kilometern ordentlich die Wanderlaune verdarb. Ausgefroren und durchnässt traten wir mit Sitzheizung und Warmluftgebläse in Volkes Wagen den Heimweg an.
Schnell stellten wir fest, dass unsere knurrenden Mägen nach revitalisierender Hausmannskost in wohlig warmer Umgebung verlangten. Noch auf dem Rückweg vom Pfälzerwald fragten wir im Hotel Restaurant Krone in Herxheim-Hayna nach, ob denn noch zwei Plätze in deren Zweitlokal (=Pfälzer Stube) frei wären.
Nach einer dringend benötigten Aufwärmzeit zu Hause, machten wir uns auf den Weg zur nahegelegenen Regionalkostbastion, die wir noch im Sommer etwas enttäuscht verlassen hatten. Da klafften Preis und gebotene Teller- bzw. Serviceleistung doch merklich auseinander.
Nun, bewaffnet mit einem Gutschein, den man uns dankenswerter Weise zur Hochzeit überantwortet hatte, wollten wir es noch einmal wagen und tauschten an jenem Sonntagabend äußerst bereitwillig die lauschige Sommerterrasse gegen die holzvertäfelte Behaglichkeit der Haynaer Traditionsadresse ein.
Über das jähe Karriereende des langjährigen Sternekochs und Küchenchefs Karl-Emil Kuntz habe ich mich bei meiner Rezension aus dem letzten Jahr bereits ausgelassen. Das ist Püree von vorgestern, denn seit über einem Jahr regiert dessen Schwiegersohn Fabio Daneluzzi über Töpfe und Pfannen und viele Besucher der Pfälzer Stube haben bis heute keinen nennenswerten Qualitätsunterschied ausmachen können.
Dies gilt wohlgemerkt nur für das Sekundärlokal. Im ehemals besternten Kronen-Restaurant sieht die kulinarische Wirklichkeit mittlerweile ein wenig anders aus. Hier versucht man mit der Rückbesinnung auf Regionalwerte eine fusionierte Form der Heimatküche in ein gehoben-zeitgemäßes Gewand zu kleiden.
Teure Nobelprodukte aus der Zeit der hohen "Kuntz-Cuisine" gehören längst der Vergangenheit an. Man darf also gespannt sein, wie sich Daneluzzis Einfluss auf die Gourmetabteilung in der Zukunft auswirken wird. Denn zwischen brutalem Lokalpurismus und avantgardistischer Filigrankulinarik ist eine Menge Raum für "Nouvelles".
Aber das sollte uns an jenem Abend wenig interessieren. Man begrüßte uns in einer für Krone-Verhältnisse schon fast überschwenglichen Freundlichkeit, erleichterte uns um unsere Jacken und bot uns einen romantischen Zweiertisch in der charmanten Wohlfühlstube an.
Der gediegene Landhauslook des Gastraumes weiß nach wie vor seine heimeligen Reize stimmungsvoll einzusetzen. Er hat in all den Jahren nichts von seiner trauten Anziehungskraft eingebüßt. Ein sehr sympathischer Beweis für beständige Gastlichkeit, die sich keinem Trend unterwerfen muss, um ihren Pfalzkostempfängern einen geeigneten Rahmen zu bieten.
Am weißen Leinen, dem flackernden Kerzenschein, den auf Hochglanz polierten Gläsern und dem rustikalen Holzambiente gab es nicht im Geringsten etwas auszusetzen. Das sah der allein speisende ältere Herr am Nachbartisch (nein, er kam nicht von der Weser und es war auch nicht Jürgen Dollase!) wahrscheinlich genauso wie wir.
Unsere Anwesenheit senkte den Altersdurchschnitt des ansonsten eher reiferen Publikums an diesem Abend ein wenig. Von der im Dirndl agierenden Servicedame erhielten wir zügig das Speiseprogramm. Das bibeldicke Kellerkompendium, das nach wie vor enzyklopädische Ausmaße besitzt, wurde gleich mitgeliefert.
Mit dem kleinen (49,90 Euro) und dem großen Pfälzer Stuben Menü (69,90 Euro) wandelt man weiterhin auf bewährten Pfaden. Auch bei den Vor- und Hauptspeisen wird auf Altbekanntes gesetzt. Pfälzer Saumagencarpaccio, Tafelspitzbrühe und die geschmorte Rinderroulade haben als kulinarische Ewigkeitswerte Bestand. Als kulinarisches Vermächtnis der verfeinerten Kuntz'schen Regionalküche sind sie hier auch nicht wegzudenken.
Neben dem eher fleischlastigen Standardprogramm setzt Daneluzzi auf raffiniert zubereitete Produkte aus der Region. Wels und Forelle bezieht er aus Eußerthal (Pfälzerwald), der Ziegenkäse stammt aus der Landauer "Meckerei", das Grünzeug von den Feldern der unmittelbaren Umgebung. Die Feigen zur Gänselebervariation gar aus dem eigenen Garten.
Passend zur Wild- und Pilzsaison wird eine separate Empfehlungskarte gereicht. Neben allerlei Wissenswertem über den Steinpilz wurden darauf drei Saisongerichte offeriert. Hausgemachte Pasta mit sautierten Steinpilzen in Trüffel-Beurre-Blanc (25,50 Euro), Mignon vom Pfälzer Weiderind "Rossini-Style" (39,90 Euro) und Filet vom Hirschkalb in Piemonteser Haselnusskruste, Rotkohl, Dauphinekartoffeln und Wacholder-Jus (36,50 Euro) klangen nicht minder ambitioniert wie die Komponenten der beiden Menüs.
Für die kleine Dreigangvariante hatte ich mich da längst entschieden. Edelfische aus Eußerthal, knusprig gebratene Pfälzer Freilandentenbrust und ein exotisch klingendes Dessert hießen die kulinarischen Mitstreiter meines sonntäglichen Abendmahls.
Meine Frau hatte schon auf der Fahrt nach Hayna von nichts anderem als den geschmorten Rinderbäckchen (24,90 Euro) fabuliert. Klar, dass sie sich die mürben Niedrigtemperaturbrocken nicht entgehen ließ. Zumal sie zusammen mit Selleriepüree, handgeschabten Spätzle und einer kräftigen Spätburgunder-Jus auf der Karte standen.
Um bei meinem menübedingten Vorspeisengenuss nicht kulinarisch zu vereinsamen zog sie mit einem herbstlich angehauchten Salatteller (9,90 Euro) gleich. Doch bevor es dazu kam, wurde unserem ersten Hunger mit Brot und Schmalz auf angenehm rustikale Art und Weise begegnet.
Danach folgte der obligatorische "Gaumen 6" aus der Kronenküche. Zweifellos ein Gruß für Fortgeschrittene, denn nach dem üppig arrangierten Pfälzer Tapasteller, hat schon so mancher gestandene Kulinarist seine Vorspeisenbestellung als obsolet angesehen. Auf dem runden Porzellan hatten es sich - wie man das ja schon seit vielen Jahren kennt - würzige Miniaturschmankerl wie Rindersülze, Mini-Saumagen auf Champagnerkraut, Enten-Wantan und Kartoffelschaumsüppchen bequem gemacht. Karotten- und Selleriemousse sowie eine dünne Scheibe Gemüseterrine komplettierten das Preziosen-Ensemble in vegetarischer Hinsicht.
Wenn es irgendwo einen Küchengruß mit unverkennbarer Signatur gibt, dann gehört dieser handwerklich tadellos auf den Teller gebrachte Amuse-Reigen mit Sicherheit dazu. Und was die Qualität der schmackhaften Regional-Häppchen angeht, die war schon immer gleichbleibend hoch. Ein feiner Auftakt, der uns nach der anstrengenden Wanderung sehr gelegen kam und schnell in unseren Mägen verschwand.
Getrunken wurde natürlich auch. Die Flasche Mineralwasser belief sich auf mondäne 6,50 Euro. Aus einem der bestsortierten Weinkeller der Südpfalz ließen wir uns eine halbe Flasche (0,375l) vom "Kleinen Alois" (16 Euro), einer aus Cabernet Sauvignon und Merlot bestehenden Rotwein-Cuvée vom Weingut Aloisiushof aus St. Martin, aufdrehen und in die dazu gereichten Kelche gießen.
Das kleine Menü startete mit einem im Gegensatz zu früher etwas schlanker, sprich reduzierter wirkendem Fischteller. Neben einem ansehnlichen Häufchen Wels-Tatar, das von einer Nocke zitrusfrischem Champagnersorbet und etwas Forellenkaviar in angenehm säuerliches Milieu gerückt wurde, warteten eine luft-lockere Forellenterrine, eine knusprig gebackene Fischpraline und eine leicht süßliche Kürbismousse in Bonbon-Form auf den Eußerthaler Edelfisch-Enthusiasten.
Die nur spärlich vorhandene Rieslingsekt-Zitronen-Beurre-Blanc konnte gegen die dominante Aromenfrische vom Schampus-Sorbet wenig ausrichten. Schade, dass das mit etwas Dill verfeinerte, rohe Wels-Fleisch noch etwas zu kühl aus der Vorbereitungskammer geschickt wurde. Ohne den Forellenkaviar wäre der gewünschte Jod-Effekt auf der Zunge wohl weitgehend ausgeblieben.
Backfisch-Praline, Forellenterrine und Kürbistörtchen gerieten dagegen tadellos, während man dem kleinen Salatbouquet die vegetabile Alibi-Funktion nicht absprechen konnte. Insgesamt jedoch ein texturell und geschmacklich abwechslungsreicher Auftakt, der mit Süße, Säure und subtiler Würze die Fischprodukte aus dem Pfälzerwald gekonnt in Szene setzte.
Der herbstliche Marktsalat mit erwartungsgemäß hohem Rapunzelanteil, den sich meine Frau als Vorspeise gönnte, punktete mit fein knobiliertem Sauerrahm-Joghurt-Dressing. Parmesan und Croutons lieferten zusätzlich Würze und Knusper. Die kalte Grünschale überzeugte ihre Verkosterin. Diese findet solch schnörkellos zubereiteten Frischeteller sowieso viel besser als Grünzeug, das durch übertriebenen Gourmetprodukteinsatz zum vegetabilen Beifang degradiert wird.
Die für uns zuständige Servicedame agierte umsichtig und konnte auch zu den einzelnen Gerichten etwas sagen. Das war zwar kein auswendig gelerntes Herunterrattern der verwendeten Ingredienzien wie aus dem Vokabelheft für hohe Bedienkunde, aber ihre dezidierten Anmerkungen zu bestimmten Details auf dem Teller zeugten von Erfahrung und Sachkenntnis.
So kann professionelle Gästebetreuung aussehen. Und auch mit der Freundlichkeit - in der Krone schon öfters von mir als Mangelware im Servicebereich empfunden - wurde an diesem Abend nicht zu sparsam umgegangen. Für mich war das jedenfalls die beste Serviceleistung seit langem und ein nicht unbedingt zu erwartender Positivaspekt.
Dann wurde es fleischlastig, was unsere Rotweinreserven deutlich rascher zur Neige gehen ließ. Außen knusprig, innen viel Saft. So präsentierte sich meine Pfälzer Freilandentenbrust, die auf einem gehaltvollen Selleriepüree mit sautierten Steinpilzen thronte und von hausgemachten "Bubespitzle" (Schupfnudeln) sowie einer Pinot-Noir-Jus zum Niederknien begleitet wurde.
Ein wahrlich überzeugendes Statement gegen den Schlankheitswahn, das jede moderne Küchenphilosophie ad absurdum führte. Ein Wohlfühlgericht par excellence, das hier aromensatt und auf den Punkt zubereitet auf seinen dankbaren Abnehmer traf.
Die Dame gegenüber war von ihrer Hausmannskost deluxe genauso angetan. Für ihre sanft geschmorten Rinderbäckchen hätte es keines Messers bedurft. Auch sie wurde mit reichlich Selleriepüree und einer kräftigen Pinot-Sauce bedacht. Ihre vom Brett geschabten Spätzle hätten jeden Schwabenschmecker in Verzückung versetzt.
Klar durften bei beiden Fleischgängen die vegetabilen Accessoires à la Krone nicht fehlen. Von der aufgefächerten Zucchini über die geraffelten Karottenscheiben bis hin zur halbierten Zuckerschote war alles dabei, was die bewährte Traditionsküche schon seit vielen Jahren optisch ausmacht. Experimente suchte man auf den Heimattellern vergeblich, aber das machte das Ganze auch auf angenehme Weise kulinarisch einschätzbar. Manchmal sind solche anachronistisch anmutenden Arrangements genau das Richtige.
Das aufgetürmte Bauwerk der Patisserie ging dann leider kurz nach dem Servieren zu Bruch. Will heißen, dass das aus allerlei exotischen Früchten bestehende Dessert des kleinen Menüs (wir teilten uns den letzten Gang, da wir beide eigentlich schon pappsatt waren...) einfach umkippte, kurz nachdem es die Servicedame auf unserem Tisch platziert hatte. Kann passieren. War auch nicht weiter schlimm, auch wenn wir gerne gefragt worden wären, ob das fragile Süßwerk noch einmal neu errichtet werden sollte.
Egal, es ersparte mir wenigstens das Fotografieren. Und gemundet hat es ja. Mit Ananas, Mango und Kalamansi stand das Fruchtige klar im Vordergrund. Zu Sorbet, Ragout und Schaum verarbeitet war das ein abwechslungsreicher Nachtisch, den wir uns lediglich etwas weniger süß gewünscht hätten. Aber auch hier gibt man sich nach wie vor recht "oldschool" und das wird von den Hotel- und Hausgästen anscheinend hochgeschätzt.
In der Summe war es trotz kleiner Dessertpanne ein gelungener Abend, der die Pfälzer Stube einmal mehr als verlässliche Winteradresse empfahl. Die Frage nach Innovation wird wohl eher im früher besternten Krone-Restaurant beantwortet. In der Pfälzer Traditionsstube regiert dagegen Bewährtes aus der Heimatküche mit Sättigungs- und Wohlfühlgarantie. Beständigkeit rules!