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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Bauernstube · Hotel Traube Tonbach in 72270 Baiersbronn bewertet.
vor 7 Jahren
"Man muss die Feste feiern, wie sie fallen"
Verifiziert

Geschrieben am 09.03.2018
Besucht am 08.03.2018 Besuchszeit: Mittagessen 3 Personen Rechnungsbetrag: 170 EUR
Besondere Anlässe rechtfertigen aussergewöhnliche Destinationen. Nein, es ist nicht der heutige Internationale Frauentag, sondern der runde Geburtstag eines Freundes, der uns in die kulinarisch hochdekorierte Schwarzwaldgemeinde Baiersbronn führt. Vorzugsweise mit Bahn und Bus, damit wir nicht bei Mineralwasser dahindümpeln müssen. Kein Problem: die Traube Tonbach liegt zwar am Ende eines langgezogenen Tales einer der Teilgemeinden Baiersbronns, der Bus Nr. 22 hält jedoch direkt vor der Haustüre (und wird von einem dermaßen gutgelaunten Busfahrer gelenkt, dass man schon auf der Hinfahrt zu schunkeln beginnt).

Müßig, über die zahlreichen Dekorationen und Auszeichnungen der Traube Tonbach zu berichten. Alle paar Schaltjahre bin ich zu Besuch, mal in der Schwarzwaldstube, mal in der Köhlerstube. Heute jedoch haben wir in der rustikalen Bauernstube reserviert, denn der Freund fremdelt ein bisschen mit steifer Haubengastronomie. Die gerade mal 36qm grosse Bauernstube ist kaum größer als das Wohnzimmer mancher Gäste und vermittelt mit gedämpftem Licht, urwüchsigem Interieur und alten Fotos an den Wänden das Gefühl, glattwegs in die Vergangenheit zurückgebeamt zu werden. Der überaus dezent agierende Service verwöhnt einen unauffällig und ohne grosses Trara, aber mit Wertschätzung, Wohlwollen und Aufmerksamkeit. Hier muss man sich einfach wohlfühlen!

Reservierung ist aufgrund des begrenzten Platzangebotes ratsam. Während wir für den Vortag keinen einzigen Tisch mehr ergattern konnten, bleiben wir an diesem Donnerstagmittag neben einer mehrköpfigen Businessgruppe (die allerdings nur einen überraschend schnellen Lunch einnimmt) die einzigen Gäste in der Bauernstube. Sehr angenehm, da ruhig, ohne Musikbeschallung oder Hintergrundgeräusche. Wir sitzen auf rustikalen, aber mit kuschligen Kissen ausgestatteten Bänken einander gegenüber, auf den blanken Holztischen scheint die Geschichte von Jahrzehnten verewigt zu sein. Keine Tischdecke, jedoch frischer Blumenschmuck und ein Porzellantäfelchen, auf dem kunstvoll von Hand unsere Reservierung hinkalligraphiert wurde. Schweres Besteck, schlichtes, aber qualitätsvolles weißes Geschirr und Gläser, die gut in der Hand liegen.

Die jugendliche Servicedame umsorgt uns durchgehend von der Begrüßung bis zur Rechnung – und ist stets unaufdringlich zur Stelle, wenn man auch nur den Gedanken eines Wunsches hat. Gerne nehmen wir ihre Empfehlung des Hausaperitifs an: Sekt mit feinem Himbeerlikör (13,00 Euro), prickelnd-erfrischend, aber gottseidank nicht zu kalt und auch nicht übermässig süss. Die Weinkarte verführt zu verzücktem Aufstöhnen, doch als Piemont-Fan bleiben wir bei einem Dolcetto D´Alba vom Weingut Roagna aus dem Ort Barbaresco (überraschend günstige 32,00 Euro für die Flasche).  Den Schwarzwaldsprudel aus Peterstal-Griesbach (6,50 Euro die Flasche) trinke ich ausnahmsweise gerne medium, obwohl ichs sonst lieber kohlensäuriger mag.

Die Speisekarte der Bauernstube ist übersichtlich und an regionaler Küche orientiert: 2 kräftige Suppen, 3 Vesper, 7 Hauptgerichte zwischen rustikalem Linseneintopf und badischen Hechtnocken mit grünem Spargel, 3 raffinierte Desserts. Konkrete Wünsche über die Karte hinaus dürfen durchaus geäussert werden und werden nach Möglichkeit sogar erfüllt. Als Gruß aus der Küche erhalten wir sehr rasch frisches dunkles Bauernbrot mit fluffig-sahnigem Kräuterquark und herzhaftem Griebenschmalz (beides in kleinen Gläschen mit Bügelverschluss serviert), sowie zwei würzige Mini-Quiches.

Die schwäbische Hochzeitssuppe (8,50 Euro) ist eine Sensation: in der kräftigen Brühe schwimmen softe Flädle, ein auf der Zunge zergehendes Grießklößchen, Maultäschle und feines Gemüse. Meine Großmutter hätte es nicht besser gekonnt. Das Kalbsrahmgulasch mit Karottengemüse (24,50) ist butterzart, auch wenn die Stückchen noch leichte Fettstreifen erahnen lassen. Dazu werden Scheiben von kleinen Serviettenknödeln serviert, die die Sauce wundervoll aufnehmen. Großartig auch der Zwiebelrostbraten (25,50 Euro) – ein sehr hohes Stück, gut medium gebraten, mit handgeschabten Spätzle auf einem Bett von knackigen grünen Bohnen serviert. Sauce gibt es reichlich und sie wird auf Wunsch genau dahin platziert, wo man sie gerne hat. Nachschlag jederzeit.

Zum Espresso werden allerliebste kleine Küchlein und Konfekt auf Schieferplatten serviert. Eine Digestif-Karte gibt es leider nicht, der Service kann jedoch kenntnisreich aus dem Bestand plaudern und bringt gerne eine kleine Auswahl je nach eigenen Vorlieben vorbei. Wir wählen den Zibärtle-Brand von Scheibel (mit feinem Bittermandelaroma im Hintergrund), der in ganz speziellen Gläsern ausgeschenkt wird (die niedere Seite zum Schnuppern, die hohe, gewölbte Seite zum Trinken).

Zu den Toiletten im Untergeschoss führt eine großzügig geschwungene, plüschig ausgelegte Showtreppe. Die gut ausgeleuchteten, blitzeblanken, komfortablen Toilettenräume laden fast schon zu längerem Verweilen ein. Aber nein: die aufmerksame Servicedame darf für uns noch die Rückfahrtzeiten recherchieren. Natürlich wären im mondänen Hotel über der Straße noch genügend Zimmer frei, doch diese Option halten wir uns für andere Gelegenheiten offen.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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