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Auf das im Juni 2014 eröffnete, von einer vietnamesischen Familie betriebene Restaurant wurde ich durch einen Bericht im Rhein-Neckar-Gastromagazin „Espresso“ aufmerksam. Rudimentär versprachlichte Schilderungen des dort Erlebten veranlassten etliche Kolumnisten bei Tripadvisor zum fast schon inflationären Gebrauch der Begriffe „authentisch“ und „traditionell“. Da wird man natürlich schnell hellhörig, zumal der letzte Besuch unseres Mannheimer Lieblingsindochinesen „Mémoires d‘ Indochine“ schon länger zurück lag. Da Speyer immer eine Stippvisite wert ist, kehrten wir im Rahmen zweier Ausflüge Mitte März bzw. Ende April beide Male im „Le Cyclo“ ein.
Beim Erstbesuch hatten wir vorsorglich reserviert, was an jenem Samstagabend auch absolut notwendig war, denn wir besetzten die letzten beiden Tische im knapp 50 Sitzplätze umfassenden Gastraum. Man platzierte uns in einem schummrigen Winkel im hinteren Teil des Lokals, was für die Qualität meiner „Beweisfotos“ nicht gerade förderlich war. Für einen romantischen Abend zu zweit mag die omnipräsente Farbe Rot ja ganz dienlich sein, denn sie steht ja bekanntermaßen für Glück und Erfolg. Dass manche damit auch Kommunismus und Revolution verbinden, passt dann eher zur wechselvollen Landesgeschichte Vietnams.
Egal, das Rot der Wände schaffte jedenfalls eine leicht obskure Atmosphäre. Von der Decke baumelten Leuchten im Stil asiatischer Lampions. Die dunkle Bambusverkleidung der Wände (und des Thekenbereichs) und das schwarz lackierte Mobiliar kontrastierten zum helleren Holz des Laminatbodens. Zusammen mit der gläsernen Fensterfront ergab das ein durchaus stimmiges, mit einer gehörigen Portion Asia-Flair versehenes Interieur, das zum Verweilen einlud und ideale Rahmenbedingungen für unsere kulinarische Reise in das Land des aufgehenden Drachens bot.
Kaum hatten wir das kleine Lokal betreten, empfing man uns mit der bekannten asiatischen Freundlichkeit. Den gesamten Abend hindurch fühlten wir uns vom Servicepersonal gut umsorgt. Man bediente uns fürsorglich, beantwortete bereitwillig Fragen zu verschiedenen Gerichten und fragte mehrfach nach, ob denn alles zu unserer Zufriedenheit sei. Dabei agierten die Bedienungen weder aufdringlich noch überengagiert. Sicherlich ein Umstand, der uns schnell ankommen und wohlfühlen ließ.
Auf der ersten Seite der Speisenkarte war vom Einfluss Frankreichs auf die vietnamesische Küche die Rede. Keine Frage, die Grande Nation hat der auf einfachen Zutaten basierenden Landesküche Vietnams gehörig ihren Stempel aufgedrückt. Immerhin brachte die rund 100-jährige Kolonialherrschaft der Franzosen neben Repression, Aufständen und dem verheerenden Indochinakrieg auch eine ganze Reihe interessanter Gerichte hervor.
Aus der zehn Gerichte umfassenden Vorspeisenauswahl entschieden wir uns für das gemischte Programm. Auf der „Entrée-mixte-Platte“ (12,50 Euro) befanden sich jeweils zwei Frühlingsrollen, Wantan und kleine vietnamesische Pfannkuchen (erinnerten an die niederländischen Poffertjes) sowie vier mit Garnelen, Salat und Reisnudeln gefüllte Sommerrollen. Die süßliche, mit Erdnussraspel versehene Dipsauce auf Fischbasis verlieh dem Vorspeisenreigen die nötige Süffigkeit.
Besonders die herzhaften, nach Garnelen und Frühlingszwiebeln schmeckenden Mini-Pfannkuchen (5,50 Euro) hatten es uns angetan, weshalb wir sie als deftigen „Nachtisch“ noch einmal nachorderten. Wir genossen die aus Reismehl hergestellten Vietnam-Crêpes zusammen mit einer leichten, nach Kokosnuss duftenden Nuoc Mam Sauce quasi zum Dessert und verzichteten deshalb auf etwas Süßes.
Bei den Hauptspeisen fiel uns die Entscheidung nicht leicht. Kein Wunder, klangen doch die meisten der zwanzig verschiedenen Hauptgerichte mehr als verlockend. Hinter dem Namen „Bò Bún Chả Giò“ (10,50 Euro) verbarg sich eine Schale mit kurzgebratenen Rinderfiletstreifen und frittierten vietnamesischen Frühlingsrollen auf Reisnudeln bzw. Salat. Das lauwarm servierte Gericht wurde am Tisch mit Nuoc Mam Sauce übergossen. Es hatte eine schöne Koriander-Note, war mit Erdnuss- und Karottenklein verfeinert und ergab auch texturell ein in sich stimmiges Gesamtbild. Meine Begleitung war jedenfalls hochzufrieden damit.
Die krossfrittierten, in Stücke geschnittenen Frühlingsrollen ließen es im Mund ordentlich krachen, während die zarten Streifen vom Rinderfilet und die geschmeidigen Reisnudeln für ein eher samtiges Mundgefühl sorgten. Eine ganze Schüssel voll „umami“ hatte auch mein „Tôm Bún Chả Giò“ (11.50 Euro) zu bieten. Im Prinzip handelte es sich um das gleiche Gericht, nur wurden hier die Rinderfiletstreifen durch gebratene Garnelen ersetzt. Beide Hauptgerichte überzeugten uns auf ganzer Linie und wir hätten gerne noch ein wenig mehr davon in der Schale gehabt. Zugegeben, die Portionsgröße hätte an dieser Stelle etwas üppiger ausfallen dürfen.
Das empfanden wir als nicht besonders schlimm, konnten wir das Restvolumen unserer Mägen mit einem frischen Nachgang sinnvoll füllen. Knusprige, von grünen Klebreisflocken ummantelte Riesengarnelen standen zusammen mit einem frischen Pomelo-Salat (13,50 Euro) auf der „Menu Spécial“ genannten Empfehlungskarte. Die in der asiatischen Küche verbreitete, sehr fruchtig schmeckende Pampelmusenart wurde dank Karotten, frischer Minze, Limette, Chili, Ingwer und Erdnüssen zum einem sommerlich-frischen Geschmackserlebnis erhoben. Die hausgemachte Nuoc Mam Sauce war die Basis für das süßsäuerliche Dressing, das den Teller harmonisch abrundete.
Als wir das „Le Cyclo“ an einem Montagmittag Ende April besuchten, schien der Ansturm auf den Mittagstisch schon abgeflaut und wir ließen es uns bei frittierten Crevetten (7,50 Euro), gebratenen Schweinerippchen (6,50 Euro) von der Mittagskarte und Udon-Nudeln mit Tofu aus dem Wok (10,50 Euro) so richtig gut gehen. Auch an jenem Mittag mundete uns die einfache, aber äußerst schmackhafte Viet-Küche und verschaffte uns ein kleines Break vom Alltag, das man sich ja auch mal unter der Woche gönnen sollte. Auf meinen mit Zitronengras, Soja und Frühlingszwiebeln gewürzten Rippchen lag noch ein Spiegelei. Der Reis befand sich darunter. Alles in allem ein unkompliziertes, aber appetitlich zubereitetes Tellergericht, das gut sättigte.
Für die Flasche Selters Classic wurden stolze 5,80 Euro berechnet. Das süffige Saigon-Bier aus der 0,33l-Flasche schlug mit 3,80 Euro zu Buche, genau wie der Maracuja-Saft (0,4 l). Die Getränkepreise sind für kleinstädtische Verhältnisse schon am oberen Rand kalkuliert. Dass die Domstadt Speyer primär vom Tourismus lebt, merkt man nicht nur an ihrer hohen Restaurantdichte, sondern eben auch an den sportlichen Wasserpreisen. Trotzdem kein Grund, die Kaiserstadt nicht öfter zu besuchen. Und auch im „Cyclo“ werden wir sicherlich mal wieder auf Asia-Reise gehen.