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Um die Zeit bis zur Abendveranstaltung zu überbrücken und meinen Durst zu stillen (der Hunger ist bei dieser Hitze nicht so dolle), kehre ich am Freitagabend in der Gaststätte Römming ein, die böhmische und fränkische Küche im Herzen Erlangens verspricht. Zentraler gehts eigentlich fast gar nicht! Das Gebäude dockt direkt an der Orangerie an, der herrliche Biergarten unter einem Lindenbaum gibt den Blick frei auf einen Teil des Schlossgartens und die sonnengelbe Fassade der Orangerie. Neben dem Eingangstor liegt eine Katze bräsig auf der Mauer und lässt sich durch die vorbeiflanierenden Gäste nicht im Geringsten stören. Zur Geschichte des Hauses kann man lesen: „Im Zuge der Hugenotten-Ansiedlung in der Erlanger “Neustadt” durch Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth errichtete 1699 der fürstliche Haushofmeister Jean Verdier ein zweistöckiges Wohnhaus mit Stallungen in der Apfelstr. 2.“
Gegen 18 Uhr 30 bin ich noch der erste Gast im Biergarten, suche mir einen passenden Tisch aus und warte ab. Nichts passiert. Im Hintergrund wird irgendwo lautstark palavert, aber niemand kümmert sich um mich. Speisekarten liegen auch nicht aus. Nach einer Weile erhebe ich mich, werfe einen Blick in einen offenstehenden Innenraum (kruschtelig, unaufgeräumt, wenig einladend, dunkel), nehme ein paar Stufen rein ins Haus, wo sich drei Männer sehr intensiv unterhalten, wenn nicht gar streiten. Die Zuständigkeiten sind nicht auszumachen. Als man meiner ansichtig wird und die Versammlung auflöst, frage ich den Menschen, der mir am kompetentesten erscheint, ob das Lokal offen habe. Aber natürlich, man hätte mich schon gesehen, hätte aber noch ein wichtiges Gespräch gehabt, wird mir entgegnet. Zwischendrin schaue ich mich weiter um, erkenne noch eine Art Abstellraum mit Kabelgewirr und noch mehr Wirrwarr, alles offenstehend und eher einen chaotischen Status darstellend. Ordnung scheint nicht der zweite böhmische Vorname zu sein.
Bis die Speisekarte eintrifft, vergeht mir auch der Appetit auf eine „Henkersmahlzeit (scharf)“ (Pikanter Rinderbraten mit feuriger Soße, Champignons und Paprika, dazu böhmische Knödel und gemischter Salatteller für 12,80 Euro) oder einen „Mährischen Spatz“ (zartes Fleisch mit Knoblauch, Sauerkraut, böhmischen Knödeln und Salat für 12,50 Euro). Der Kellner zeichnet sich durch einen burschikosen Auftritt aus, sehr direkt, sehr rustikal, für meine Begriffe etwas zu wenig feinfühlig. Aber vielleicht liegt das an der fränkischen Natur? Oder am möglicherweise böhmischen Einschlag? Ich lasse mich nicht vertreiben und ordere etwas Unverfängliches, mit dem man sich hoffentlich nicht den Magen verrenken kann. Das Weinschorle weiss-sauer wird hier ungefragt in der grossen Variante serviert (0,4 Liter für 4,80 Euro), aber das macht gar nichts und zischt runter wie nichts. Es ist frisch eingegossen und gut gekühlt, das hohe Glas noch beschlagen.
Nach gefühlten 5 Minuten trifft überraschenderweise schon mein Essen ein: ein Salatteller mit mariniertem Fetakäse, sowie gebratenen Champignons, Oliven, Paprikastreifen und Dilljoghurtdressing für 8,90 Euro, alles serviert auf einem grossen Glasteller. Sieht auf den ersten Blick recht übersichtlich aus, kann vielleicht auch als Vorspeise angesehen werden oder unter der Rubrik „für den kleinen Hunger“ laufen. Der Fetakäse ist zerbröselt, aber nicht mariniert – beim Dressing Dill und Joghurt herauszuschmecken, gelingt mir leider nicht. Absolut lecker sind dafür die scharf angebratenen, würzigen Champignons. Dazu gibt es noch Weisskraut mit Kümmel, Möhrenstiftchen, grüne Bohnen (wohl fertig aus dem Eimer), grünen Blattsalat, zwei Scheiben Tomate. Da es mir an Geschmack mangelt, bestelle ich Pfeffer und Salz nach.
Nach einer Weile füllt sich der Biergarten, viele Gäste sind förmlich begeistert vom Angebot, für die Kinder bestellt man gern den Palatschinken. Meine Freude hält sich in Grenzen. Ich blicke auf ein löchriges Tischtuch und fühle mich etwas ernüchtert. Der Kellner agiert nun flink, lautstark und geübt. Die Bestellungen der Gäste nimmt er gerne mit der Floskel „Was haben wir gewählt?“ auf. Die Toilette, drei Stufen tiefer im Gebäude gelegen, ist blitzblank sauber und mahnt auch die Gäste um Sauberkeit. So ganz passt das mit den kruschteligen, unaufgeräumten Nebenräumen nicht ganz zusammen. Es habe das vage Gefühl, hier herrscht mehr Schein als Sein. Unschlagbar ist trotzdem die wunderbare Lage und der schöne Biergarten, der bis Oktober geöffnet hat. Hier sitzt man ruhig, sehr schattig und geschützt, dazu ganz bequem auf Holzklappstühlen an Holztischen unterschiedlicher Grösse. Es scheint keinen Ruhetag zu geben und man kann Tischreservierungen auch recht bequem online vornehmen (was unter Umständen für Gruppen und Familien ratsam ist). Wer abends noch ins Markgrafentheater möchte oder tagsüber ein deftiges Mittagessen einnehmen mag, ist hier sicherlich gut bedient, kann sich auch über die günstigen Preise freuen. Für mich passte es einfach nicht so recht, auch wenn ich den lauschigen Gastgarten an diesem lauen Augustabend sehr genossen habe.