Le Moissonnier
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Krefelder Str. 25, 50670 Köln
Restaurant Sternerestaurant Weinkeller
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GastroGuide-User: tischnotizen
tischnotizen hat Le Moissonnier in 50670 Köln bewertet.
vor 8 Jahren
"Kreativitätsmaschine auf Hochtouren"
Verifiziert

Geschrieben am 11.12.2016 | Aktualisiert am 12.12.2016
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Besucht am 06.12.2016 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 426 EUR
Alles wie gehabt im Reich von Vincent und Liliane Moissonnier. Auch trotz zunehmend selbstbewusster Preise (die Hauptgerichte gehen locker schon mal über die 50 Euro-Grenze), brummt der Laden selbst unter der Woche und auch die Kreativitätsmaschine von Eric Menchon läuft immer noch auf Hochtouren.

Im mutmaßlich französischsten Bistro außerhalb Frankreichs, was authentisches Ambiente angeht, ist auch weiterhin nichts von Reduzierung oder Minimalismus auf dem Teller bzw. besser: den Tellern, von denen es mindestens zwei, meistens aber drei pro Gang gibt, zu spüren.

Das Amuse - dieses Mal ein Rillette vom Rebhuhn mit Maiscreme und Vanille - ist wie so oft noch optisch eher zurückhaltend und als wolle die Küche sagen: Komm, halten wir uns nicht mit dem lästigen Kleinkram auf. In der Tat wirkt es eher wie eine Fingerübung, wenngleich der Kontrast zwischen Würzigkeit und Süße bei diesem Teller duchaus seinen Reiz hat und sehr gut schmeckt.



Aber der eigentliche Spaß beginnt tatsächlich erst mit der Vorspeise, die auf drei Tellern an den Tisch kommt. Auf meiner Seite des Tisches liegt ein beeindruckendes Doppelfilet von der Rotbarbe, die im Ofen gebraten wurde, nur begleitet von Brotsamen, die mit Piment d'Espelette aromatisiert wurden und einem leichten Schaum von Bronze-Fenchel. In dieser Form hatte ich die Rotbarbe bereits Anfang des Jahres und mit dem ersten Bissen erinnere ich sofort, was neben der großartigen Saftigkeit des Fisches das Faszinierendste war. Die Rotbarbe ist deutlich, aber noch im völlig harmonischen Bereich, geräuchert, was dem Gericht den totalen Kick gibt. Flankiert wird der Fisch von einem kleinen Ragout von Steinpilzen und Datteln in Kokosnuss-Milch und einem Salat von Avocado, Apfel, Roter Bete und Taschenkrebsfleisch. Beides sind dezente Begleiter, die der Rotbarbe nicht die Show stehlen.





Auf der anderen Seite des Tisches wird ein Dreierlei rund um lauwarme Jakosbmuscheln mit geräuchertem Aal serviert. Dazu gibt es eine Mandarinen-Anchoiade. Im Inneren des Gebildes findet sich ein Herzmuschel-Knödel, der mit Miesmuscheln und Foie Gras-Würfeln gefüllt ist. Der Teller hat eine überwiegend leichte und frische Stilistik, die auch vom Granny Smith-Saft noch unterstützt wird. Im Schälchen daneben geht es mit einem Ziegenkäse-Ravioli in Kastanien-Emulsion etwas deftiger zu, was einen schönen Gegenpart zur Jakobsmuschel darstellt, aber für mich persönlich ist die eigentliche Überraschung die Rührei-Mousse in unglaublich flaumiger Seeigel-Crème. In Kombination alles sehr schön, aber ich fühle mich mit meiner Rotbarbe als Punktsieger. Die Gegenseite sieht das naturgemäß anders.



Derlei Fragen drängen sich beim nächsten Gang nicht auf, denn da entscheiden wir uns beide für den in Portwein geschmorten Kalbsschwanz mit glasierten Pastinaken und Chicoree mit Sauerkirschsaft und gebratenen Pfifferlingen. À part dazu ein lackierter Kalbszungen-Presskopf mit einer deftigen Vinagrette aus Honig, Senf und Sauren Gurken. Und die Kombination aus beiden Tellern gefällt uns ausgesprochen gut. Der Kalbsschwanz ist butterzart, kräftig abgeschmeckt und mit den Gemüsen fast schon klassisch eingefasst. Gänzlich unklassisch jedoch die bestechende geradlinige Präsentation, die mir mindestens genauso gut gefällt wie der Geschmack.





Bis hierhin begleitet uns ganz vorzüglich ein Saint-Aubin, der mit nur sehr leichtem Holzeinfluss die Gerichte elegant unterstreicht.

Im Hauptgang entscheide ich mich für die gegrillte Rebhuhnbrust, die auf einem Confit von der Keule, Foie Gras und Speck thront, dazu neben einem Braeburn-Zimt-Apfel und Cranberry-Gel eine tief dunkle, schwere Sauce Royale, die mit Schokolade angereichert wurde. Als wäre dieser Teller alleine noch nicht würzig genug, legt die Küche dazu noch einen Flönz-Krapfen in dünnem, knusprigen Teig, der die Papillen frontal mit kräutriger Deftigkeit trifft. Ich komme damit prima zurecht, habe aber Bedenken, ob auch der dritte Teller ähnlich wuchtig daher kommt, denn das wäre dann definitiv zu viel des Guten. Allerdings umgeht die Küche dieses Risiko elegant mit einem sehr feinen Arrangement aus Chicorée-Cannelloni, die mit getrüffelter Polenta und Mimolette gefüllt sind, dazu finden sich Kräuterseitlinge, Trockenfrüchtemarmelade mit Wildkirschen und gerösteten Haselnüssen. Wow - was für ein Feuerwerk!
Der Bordeaux vom Chateaux Mondésir-Gazin kann mit seiner Würzigkeit gut dagegen halten.





Mein Mann hat gegrillte Filets von der Gelbschwanz-Makrele gewählt, die auf dünnem Blätterteig mit Aubergine und Anchoiade serviert werden. Dazu finden sich Staudensellerie-Gel und eine Bergamotte-Essenz. Parallel wird eine Tajine vom Tintenfisch mit marokkanischen Gewürzen serviert. Und im dritten Teller eine ausladende Pistou-Suppe mit diversen Rübchen, Möhren und Stangenbohnen, dazu Pinienkern-Panacotta auf Tomatenwasser und Anis-Croutons (man lasse sich alleine diese Zusammenstellung auf der Zunge zergehen...).  Ich habe das alles probiert, aber muss ehrlich zugeben, dass mein Gaumen durch die Rebhuhn-Flönz-Attacke nicht wirklich empfänglich war für die insgesamt deutlich zurückhaltendere und elegantere Komposition. Der gut gegarte Fisch hatte leider nicht den Hauch einer Chance, sich zu dem Zeitpunkt bei mir irgendwie bemerkbar zu machen.





Nach angemessener Beruhigungszeit für die Geschmacksnerven also weiter zum Dessert. Ich wähle "Süß-Salzig-Pfeffrig". Und alleine hier ist wieder die Aufzählung sämtlicher Einzelkomponenten ein halber Roman. Machen wir es so kurz wie möglich: Hauptteller und eindeutiger Favorit war die getrocknete Mousse au Chocolat mit salzigem Eis und einer Karamell-Ganache. Der süße Part war dem Montélimar-Nougat-Espuma mit Nüssen vorbehalten. Eher unauffällig der Pfeffer im Pomponette, einem mit cremiger Schokolade und bengalischem Pfeffer gefüllten Gebäck.



Insgesamt zu süß ist für meinen Geschmack das Dessert meines Gemahls. Zwetschgen-Haselnuss-Mousse auf Portwein-Banyuls-Sirup und Cracker mit Pulver aus gerösteten Haselnüssen sowie der Haselnuss-Biskuit  sind mir ein wenig zu eindimensional auf Nussgeschmack ausgerichtet. Sehr gut hingegen das Calisson-Eis.



Zum Abschluss wie immer der obligatorische Orangen-Lolli, der hausgemachte Karamellbonbon und ein Macaron.
Alles wie gehabt also im Hause Moissonnier. Die Speisekarte liest sich seit Jahrzehnten abenteuerlich bis spannend. Oft erschließt sich einem nicht im ersten Moment, wie das alles zusammengehen soll. Aber es geht und zwar ganz vorzüglich. Mal als dezenter Kontrast, mal als harmonische Ergänzung, mal als milderndes Element. 

Eric Menchons Küche ist für mich auch nach all den Jahren und Jahrzehnten, die wir hierher kommen, ein einziger großer Abenteuer-Spielplatz. Und wie ein Kind komme ich hier häufig nicht aus dem Staunen heraus und kriege anschließend das Grinsen kaum aus dem Gesicht. 
Zum Spektakel gehört selbstverständlich auch die unerbittliche Lärmkulisse (die für mich allerdings Ausdruck höchster Genussfreude an den Tischen ist), die drangvolle Enge und der souveräne und jederzeit freundliche Service, der es versteht, sich unter diesen schwierigen, räumlichen Bedingungen nahezu artistisch zu bewegen.

Das "Le Moissonnier" spielt  eigentlich in einer völlig eigenen Liga. Die zwei Michelin-Sterne strahlen hier trotzdem zu Recht und heller denn je.

Bericht und sämtliche Bilder auch unter: https://www.facebook.com/thomas.westermann.5/media_set?set=a.1227548243992521&type=3&pnref=story
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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